ALBAN BERG 1 ERSTER AKT FÜ NF CHARAKTERSTÜ CKE 1 Erster Szene ( Der Hauptmann ) 1( ) SUITE Zimmer des Hauptmanns, Frühmorgens (Der Hauptmann sitzt auf eimen Stuhl vor einime Spiegel Woyzeck rasiert ihn) (, ) Präludium Langsam, Woyzeck, langsam; eins nach dem andern! Er macht mir ganz schwindlig (Er bedeckt Stirn und Augen mit der Hand Wozzeck unterbricht seine Arbeit Der Hauptmann wieder beruhigt) Was soll ich dann mit den zehn Minuten anfangen, die Er heut zu früh fertig wird? Wozzeck, bedenk Er, Er hat noch seine schönen dreißig Jahr zu leben, Dreißig Jahr! Macht dreihundertsechzig Monate! und Tage! Stunden! Minuten! Was will Er denn mit der ungeheuren Zeit all anfangen? Teil Er sich ein, Wozzeck!,,! ( )?,,!,,!?,! Jawohl, Herr Hauptmann!,! Pavane Es wird mir ganz angst um die Welt, wenn ich an die Ewigkeit denke Ewig, das ist ewig, das ist ewig - das siehst Er ein; Nun ist es aber wieder nicht ewig, sondern ein Augenblick, ja ein Augenblick! - Wozzeck, es schaudert mich, wenn ich denke, daß sich die Welt in einem Tag herumdreht Drum kann ich auch kein Mühlrad mehr sehen, oder ich werd melancholisch!,,, Jawohl, Herr Hauptmann,! 1 Kadenz Wozzeck, Er sieht immer so verhetzt aus! Ein guter Mensch tut das nicht, ein guter Mensch, der sein gutes Gewissen hat,
ALBAN BERG 2 Red er doch was Wozzeck! Gigue,! Was ist heut für Wetter?? Schlimm, Herr Hauptmann, schlimm: Wind!,! Ich spür's schon 's ist so was Geschwindes draußen: so ein Wind macht mir den Effekt wie eine Maus Ich glaub', wir haben so was aus Süd-Nord?,? Jawohl, Herr Hauptmann,! (lacht lärmend) Süd-Nord! (lacht noch lärmend) Oh, Er ist dumm, ganz abscheulich dumm! ( )! ( ),,! 2 Kadenz Wozzeck, Er ist ein guter Mensch, aber-- Er hat keine Moral!,,! Gavotte Moral, das ist, wenn man moralisch ist, versteht Er Es ist ein gutes Wort Er hat ein Kind ohne den Segen der Kirche,?? Jawo wie unser hocherwürdiger Herr Garnisionsprediger sagt ohne den Segen der Kirche, es ist ist nicht von mir! Double I Herr Hauptmann, der liebe Gott wird den armen Wurm nicht drum ansehen, ob das Amen drüber gesagt ist, eh er gemacht wurde Der Herr sprach: Lasset die Kleinen zu mir kommen,, Double II
ALBAN BERG 3 Was sagt Er da? Was ist das für eine kuriose Antwort? Er macht mich ganz konfus mit seiner Antwort Wenn ich sag': Er, so mein' ich Ihn, Ihn -?? Air Wir arme Leut - Sehn Sie, Herr Hauptmann: Geld, Geld! Wer kein Geld hat - Da setz einmal eines seinesgleichen auf die Moral in der Welt! Man hat auch sein Fleisch und Blut Ja, wenn ich ein Herr wär und hätt ein Hut und eine Uhr und eine Anglaise und könnt' vornehm rede, ich wollt' schon tugendhaft sein Es muß was Schönes sein um die Tugend, Herr Hauptmann Aber ich bin ein armer Kerl! Unsereins ist doch einmal unselig in der und der andern Welt Ich glaub', wenn wir in Himmel kämen, so müßten wir donnern helfen Reprise des Präludiums,,,,,,,! Schon gut, schon gut! Ich weiß: Er ist ein guter Mensch, ein guter Mensch Aber Er denkt zu viel, das zehrt; Er sieht immer so verhetzt aus - Der Diskurs hat mich angegriffen Geh Er jetzt, und renn Er nicht so; Geh Er langsam die straße hinunter, genau in der Mitte, und nochmals, geh Er langsam, hübsch langsam!,!,!,,,! (Wozzeck ab) Verwandlung? Orchester-Nachspiel? Zweite Szene ( Andres ) 2( ) RHAPSODIE Ü BER DREI AKKORDE Freies Feld, die Stadt in der Ferne Spänachmittag (Wozzeck und Andres schneiden Stöcke im Gebüsch) Du der Platz ist verflucht, ( ) (: ), (weiter arbeitend) Ach was! ( )! Lied, 1 Strophe Das ist die schöne Jägerei, Schießen steht Jedem frei!,!
ALBAN BERG 4 Da möcht ich Jäger sein, Da möcht ich hin, Der Platz ist verflucht Siehst Du den lichten Streif da über das Gras hin, wo die Schwämme so nachwachsen? Da rollt abends der Kopf Hob ihn einmal Einer auf, meint', es wär ein Igel: Drei Tag und drei Nächt drauf, und er lag auf den Hobelspänen!? Es wird finster, das macht Dir angst Ei was! (hört mit der Arbeit auf, stellt sich in Positur),! ( ) Lied, 2 Strophe Läuft dort ein Has vorbei, Fragt mich, ob ich Jäger sei? Jäger bin ich auch schon gewesen, Schießen kann ich aber nit!,,,, Still, Andres! Das waren die Freimaurer! Lied, 3 Strophe,!, (freemason)! Saßen dort zwei Hasen, fraßen ab das grüne (: ) Ich hab s! Die Freimaurer! Still! Still!,!,! (Andres unterbricht den Gesang, selbst etwas beunruhigt Beide lauschen angestrengt) ( ) (wie um Wozzeck und sich zu beruhigen) Sing lieber mit! Fraßen ab das grüne, grüne Gras bis auf den grünen Rasen (, )?, (stampft auf) Hohl! Alles hohl! Ein Schlund! Es schwankt! Hörst Du, es wandert was mit uns da unten! (in höchster Angst) Fort, fort! ( )!!!?! ( ),!
ALBAN BERG 5 (will Andres mit sich reißen) ( ) (hält Wozzeck zurück) He, bist Du toll? ( ),? (bleibt stehen) 's ist kurios still Und schwül Man möcht' den Atem anhalten (starrt in die Gegend) ( ) ( ) Was? (Die Sonne ist im Begriff unterzugehen Der letzte scharfe Strahl taucht den Horizont in das grellste Sonnenlicht, dem ziemlich unvermittelt die wie tiefste Dunkelheit wirkende Dämmerung folgt)? ( ) Ein Feuer! Ein Feuer! Das fährt von der Erde in den Himmel und ein Getös herunter wie Posaunen Wie's heraufzieht! (mit geheuchelter Gleichgültigkeit) Die Sonn ist unter, drinnen trommeln sie!! ( ) Still, alles still, als wär' die Welt tot Nacht! Wir müssen heim! (Beide gehen langsam ab)!!!!! ( ) Verwandlung? Orchester-Nachspiel? MILITÄ RMARSCH, WIEGENLIED Mariens Stube Abends Marsch (Die Militärmusik nähert sich) ( ) (mit ihrem Kind am Arm beim Fenster) Tschin Bum, Tschin Bum, Bum, Bum! Hörst Bub? Da kommen Sie! (Die Militärmusik, mit dem Tambourmajor an der Spitze, gelangt in die Straße vor Mariens Fenster) ( ),,,!? ( ) (: )
ALBAN BERG 6 MARGRET (auf der Straße, sieht zum Fenster herein und spricht mit Marie) Was ein Mann, wie ein Baum! (, ),,! (spricht Fenster hinaus) Er steht auf seinen Füßen wie ein Löw (Der Tambourmajor grüß herein Marie winkt freundlich hinaus) ( ) (, ) MARGRET Ei, was freundliche Auge, Frau Nachbarin! So was is man an ihr nit gewöhnt, (singt vor sich hin) Soldaten, Soldaten, sind schöne Bursch ( ),, (: ) MARGRET Ihre Auge glänze ja noch - Und wenn! Was geht Sie s an? Trag Sie ihre Augen zum Juden und laß Sie sie putze; vielleicht glänze sie noch, daß man sie für zwei Knöpfe verkaufen könnt MARGRET Was, Sie, Sie Frau Jungfer! Ich bin eine honette Person, aber Sie, es weiß jeder, Sie guckt sieben Paar lederne Hose durch!?,?!, Luder! (schlägt das Fenster zu) Komm, mei Bub! Was die Leute wolle Bist nur ein arm Hurenkind und machst deiner Mutter doch so viel Freud mit Deinem unehrlichen Gesicht! (woegt das Kind)! ( ),!, ( ) Wiegenlied Mädel, was fangst Du jetzt an? Hast ein klein Kind und kein' Mann! Ei, was frag' ich danach? Sing' ich die ganze Nacht Eia popeio, mein süßer Bu, Gibt mir kein Mensch nix dazu Hansel, spann Deine sechs Schimmel an,,?,,, (: ),
ALBAN BERG 7 Gib sie zu fressen auf s neu, Kein Haber fresse sie, Kein Wasser saufe sie, Lauter kühle Wein muß es sein! (bemerkt, daß das Kind eingeschlafen ist) Lauter kühle Wein muß es sein! (Sie ist in Gedanken versunken Es klopft am Fenster Sie fährt zusammen) Wer da? (aufspringend) Bist du's, Franz? (das Fenster öffnend) Komm herein! (: ),, ( ) ( )? ( )? ( )! Kann nit Muß zum Verles' Hast du Stecken geschnitten für den Major?? Ja, Marie Ach, Was hast du, Franz? Du siehst so verstört?,? Pst, still! Ich hab s heraus! Es war ein Gebild am Himmel, und Alles in Glut! Ich bin Vielem auf der Spur!!! Mann!! Und jetzt Alles finster, finster Marie, Es war wieder was, vielleicht Steht nicht geschrieben: Und sieh, es ging ein Rauch auf vom Land, wie der Rauch vom Ofen Franz!,? (: )! Es ist hinter mir hergangen bis vor die Stadt Was soll das werden? Franz! Franz! (ganz ratlos, versucht ihn zu beruhigen und hält ihm den Buben hin) Dein Bub!!! (, )
ALBAN BERG 8 Mein Bub (ohne ihn anzusehen) Mein Bub Jetzt muß ich fort (hastig ab) ( ) ( ) (allein mit dem Kind, betrachtet es schmerzlich) Der Mann! So vergeistert Er hat sein Kind nicht angesehn! Er schnappt noch über mit den Gedanken! - Was bist so still, Bub? Fürcht st dich? Es wird so dunkel; man meint, man wär' blind Sonst scheint als die Latern herein Ach! Wir arme Leut Ich halt's nit aus; es schauert mich! (stürzt zur Tür) (, )!!!,?? ( ) Verwandlung? Orchester-Ü berleitung? Vierte Szene ( Der Doktor ) 4( ) PASSACAGLIA: THEMA MIT VARIATIONEN Studierstube des Doktor Sonniger Nachmittag (Wozzeck tritt ein Der Doktor eilt ihm hastig entgegen) Passacaglia-Thema ( ) Was erleb' ich, Wozzeck? Ein Mann von Wort? Ei, ei, ei! Was denn, Herr Doktor?,?!,? Ich hab's gesehn, Wozzeck; daß Er wieder gepißt hat, auf der Straß an die Hauswand, gepißt wie ein Hund Geb ich Ihm dafür alle Tage drei Groschen? Wozzeck, das ist schlecht; die Welt wird schlecht, sehr schlecht! Oh!,! 3,, Aber, Herr Doktor, wenn einem die Natur kommt, 1 Variation Die Natur kommt, die Natur kommt! Aberglaube, abscheulicher Aberglaube! Hab' ich nicht nachgewiesen, daß die Blase dem Willen unterworfen ist? Die Natur! Wozzeck, der Mensch ist frei, in dem Menschen verklärt sich die Individualität zur Freiheit!!,?,!
ALBAN BERG 9 (Schüttelt den Kopf, mehr zu sich) Pissen müssen! (, )! 2 Variation (wieder zu Wozzeck) Hat Er schon seine Erbsen gegessen, Wozzeck? (Wozzeck nickt bejahend) Nichts als Bohnen, nicht als Hüsenfrüchte! Merk Er sich s! Die nächste Woche fangen wir dann mit ( ),? ( )! 3 Variation Schöpsenfleisch an Es gibt eine Revolution in der Wissenschaft: (an den Fingern aufzählend) Eiweiß, Fette, Kohlenhydrate; und zwar; Oxyaldehydanhydride (empört) Aber daß Er wieder gepißt hat! (tritt auf Wozzeck zu; sich plötzlich beherrschend) ( ) ( ),,, ( )! (, ) 4 Variation Nein! Ich ärgre mich nicht; Ärger ist ungesund, ist unwissenschaftlich Ich bin ganz ruhig, ganz ruhig; mein Puls hat seine gewöhnlichen sechzig, Behüte, wer wird sich über einen Menschen ärgern! Wenn es noch ein Molch wäre, der einem unpäßlich wird Aber, aber Wozzeck, so einfach an die Wand zu pissen!!,!! 5 Variation Sehn Sie, Herr Doktor, manchmal hat einer so 'en Charakter, so 'ne Struktur - Aber mit der Natur ist's was anders, (knackt mit den Fingern) sehn Sie; mit der Natur das is so wie soll ich sagen zum Beispiel,, ( ) Wozzeck, Er philosophiert wieder, 6 Variation Wenn die Natur Was? Wenn die Natur?
ALBAN BERG 10 wenn die Natur aus ist, wenn die Welt so finster wird, daß man mit den Händen an ihr herumtappen muß, daß man meint, sie verrinnt wie Spinnengewbe Ach, wenn was is und doch nicht,,, 7 Variation is! Ach, Ach,, 8 Variation Marie! Wenn Alles dunkel is, und (macht mit ausgestreckten Armen ein paar große Schritte durchs Zimmer) nur noch ein roter Schein im Westen, wie von einer Esse; an was soll man sich da halten?,, ( ),? Kerl, Er tastet mit seinen Füßen herum, wie Spinnenfüßen, 9 Variation (bleibt nahe beim Doktor stehen, vertraulich) Herr Doktor Wenn die Sonn in Mattag steht und es ist, als ging' die Welt in Feuer auf, ( ),,, 10 Variation hat schon eine fürchterliche Stimme zu mir geredt! Wozzeck, Er hat eine, 11 Variation Aberratio (unterbricht den Doktor) Die Schwämme! Haben Sie schon die Ringe von den Schwämmen am Boden gesehn? ( )? 12 Variation Linienkreise Figuren Wer das lesen könnt!! 13 Variation
ALBAN BERG 11 Wozzeck, Er kommt ins Narrenhaus Er hat eine schöne fixe Idee, eine köstliche, 14 Variation aberratio mentalis partialis, zweite Spezies! Sehr schön ausgebildet! 2!! 15 Variation Wozzeck, Er kriegt noch mehr Zulage!, 16 Variation Tut Er noch alles wie sonst? Rasiert seinen Hauptmann? Fängt fleißig Molche? 17 Variation??? Ißt seine Bohnen?? Immer ordentlich, Herr Doktor Denn das Menage kriegt das Weib: Darum,, 18 Variation tu ich s ja! Er ist ein interessanter Fall, halt Er sich nur brav! Wozzeck, Er kriegt noch einen Groschen mehr Zulage Was muß Er aber tun? Was muß Er aber tun? Was?, 1,??? (ohne sich um den Doktor zu kümmern) Ach, Marie! Marie! Ach! ( ),!!! 19 Variation Bohnen essen, dann Schöpsenfleisch essen, nicht pissen, seinen Hauptmann rasieren, dazwischen die fixe Idee pflegen! (immer mehr in Ekstase geratend),,, ( ) 20 Variation
ALBAN BERG 12 Oh! Meine Theorie! Oh mein Ruhm! Ich werde unsterblich! Unsterblich! Unsterblich!!!!!!! 21 Variation (in höchster Verzückung) Unsterblich! (plötzlich wieder ganz sachlich, an Wozzeck herantretend) Wozzeck, zeig Er mir jetzt die Zunge! (Wozzeck gehorcht) ( )! ( ), ( ) Verwandlung? Orchester-Einleitung? Fünfte Szene ( Der Tambourmajor ) 5( ) ANDANTE AFFETTUOSO Straße vor Mariens Tür Abenddämmerung (steht bewundernd vor dem posierenden Tambourmajor) Geh einmal vor dich hin! (Er macht einige Marschritte im Takt) Über die Brust wie ein Rind und ein Bart wie ein Löw So ist keiner! - Ich bin stolz vor allen Weibern! TAMBOURMAJOR Wenn ich am Sonntag erst den großen Federbusch hab' und die weiße Handschuh, Donnerwetter! Der Prinz sagt immer: Mensch, Er ist ein Kerl! ( )! ( ),,? (spöttisch) Ach was! (tritt vor ihn hin: bewundernd) Mann! ( )!? (, )! TAMBOURMAJOR Und du bist auch ein Weibsbild! Sapperment, wir wollen eine Zucht Tambourmajors anlegen Was? (Er umfaßt sie)!,? ( ) Laß mich! (Sie will sich losreißen Sie ringen miteinander)! ( ) TAMBOURMAJOR Wild Tier!!
ALBAN BERG 13 (Reißt sich los) Rühr mich nicht an! ( )! TAMBOURMAJOR (richtet sich in ganzer Größe auf tritt ganz nahe an Marie heran) Sieht dir der Teufel aus den Augen? (Er umfaßt sie wieder, diesmal mit fast drohender Entschlossenheit) ( )! ( ) Meinetwegen! Es ist alles eins! (Sie stürzt in seine Arme und verschwindet mit ihm in der offenen Haustür) ( ) ZWEIER AKT 2 Orchester? Einleitung Erste Szene 1 SONATENSATZ Exposition: Hauptsatz Marien Stube Vormittag, Sonnenschein (Marie sitzt mit ihrem Kind auf dem Schoß, hält ein Stückchen Spiegel in der Hand und besieht sich darin) ( ) Was die Steine glänzen! Was sind's für? Was hat er gesagt? (überlegt; zu ihrem Buben, der sich bewegt hat) Schlaf, Bub! Drück die Augen zu (Das Kind versteckt die Augen hinter den Händen) Fest! - - Noch fester! Bleib so (Das Kind bewegt sich wieder) Still, oder er holt dich!??? ( ), ( ),,! ( )!! Exposition: Seitensatz Mädel, mach's Ladel zu 's kommt e Zigeunerbu, führt dich an deiner Hand fort ins Zigeunerland,, Exposition: Schlußsatz (Das Kind hat, in höchster Angst, seinen Kopf in den Falten des Kleides seiner Mutter verborgen, wo es ganz still hält Marie besieht sich wieder im Spiegel) (, )
ALBAN BERG 14 1 Reprise 's ist gewiß Gold! Unsereins hat nur ein Eckchen in der Welt und ein Stück Spiegel, (ausbrechend) und doch hab ich ein' so roten Mund, als die großen Madamen mit ihrem Spiegeln von oben bis unten und ihren schönen Herrn, die ihnen die Händ küssen Ich bin nur ein arm Weibsbild! (Das Kind richtet sich auf) Still, Bub, die Augen zu! (blinkt mit dem Spiegel) Das Schlafengelchen; wie an der Wand läut (Das Kind gehorcht nicht) Mach die Augen zu, (blinkt wieder mit dem Spiegel) oder es sieht dir hinein, daß du blind wirst! (Woyzeck tritt herein, hinter Marie Marie, die regungslos, wie das eingeschüchterte Kind, die Wirkung ihres Spieles mit dem Spiegel abwartet, sieht Wozzeck anfangs nicht) Durchführung! ( )! ( ),! ( ),, ( ) ( )! ( ) (Plötzlich fährt sie auf, mit den Händen nach den Ohren) ( ) Was hast da?? Nix Unter deinen Fingern glänzt's ja? Ein Ohrringlein; hab's gefunden (schaut das Ohrringlein prüfend an) Ich hab' so noch nix gefunden, (etwas drohend) zwei auf einmal! ( ) ( )? Bin ich ein schlecht Mensch?? (beschwichtigend) 's ist gut, Marie s ist gut (wendet sich zum Buben) Was der Bub schläft! Greif ihm unters Ärmchen, der Stuhl ( ),, ( ),,
ALBAN BERG 15 drückt ihn Die hellen Tropfen stehn ihm auf der Stirn; Nicht alles Arbeit unter der Sonn, sogar Schweiß im Schlaf Wir arme Leut! - Da ist wieder Geld, Marie; (zählt es ihr in die Hand) die Löhnung und was von meim Hauptmann und vom Doktor,, ( ) Gott vergelt's, Franz, WOYZECK Ich muß fort Marie! Adies! (ab),! ( ) 2 Reprise Ich bin doch ein schlechter Mensch! Ich könnt' mich erstechen - Ach, was Welt! Geht doch alle zum Teufel, Mann und Weib und Kind!!,! Verwandlung? Orchester-Nachspiel? Zweite Szene 2 INVENTION UND FUGE Ü BER DREI THEMEN Straße in der Stadt Tag (Der Hauptmann und der Doktor begegnen sich) ( ) Invention (schon aus der Entfernung) Wohin so eilig, geehrstester Herr Sargnagel? ( ),? (sehr pressiert) Wohin so langsam, geehrtester Herr Exercizenengel? (eilt weiter) Nehmen Sie sich Zeit! (will en Doktor einholen) ( ), (fitigueangel)? ( )! ( ) Pressiert!! Laufen Sie nicht so! Uff! Laufen Sie nicht! Ein guter Mensch geht nicht so schnell Ein guter Mensch
ALBAN BERG 16 Pressiert, pressiert!, Ein guter (immer atemloser) Sie hetzen sich ja hinter dem Tod drein ( ) (im Gehen etwas einhaltendm so dsß ihn der Hauptmann einholt) Ich kann meine Zeit nicht stehlen ( ) Ein guter Mensch Pressiert, pressiert!, Aber rennen Sie nicht so, Herr Sargnagel! Sie schleifen ja Ihre Beine auf dem Pflaster ab (hält den Doktor endlich fest) Erlauben Sie, daß ich ein Menschenleben (sich langsam beruhigend) rette,! ( ) ( )? (langsam weitergehend, entschließt sich, dem Hauptmann Gehör zu schenken) Frau, in vier Wochen tot! (bleibt wieder stehen) Cancer uteri (Der Hauptmann wird unruhig) Habe schon zwanzig solche Patienten gehabt (will weitergehen) In vier Wochen ( ) 4! ( ) ( ) ( ) 4 Doktor, erschrecken Sie mich nicht! Es sind schon Leute am Schreck gestorben, am puren hellen Schreckt! In vier Wochen! Gibt ein int ressantes Präparat, 4! Oh, oh, oh!,,! Und Sie selbst! Hm! Aufgedunsen, fett, dicker Hals:
ALBAN BERG 17 apoplektische Konstitution Ja, Herr Hauptmann, Sie können eine Apoplexia cerebri kriegen; Sie können sie aber vielleicht nur auf der einen Seite bekommen Ja! Sie können nur auf der einen gelähmt werden; oder im besten Fall nur unten!,,,!,, Um Gottes Ja! Das sind so uhgefähr Ihre Aussichten auf die nächsten vier Wochen! Übrigens kann ich Sie versichern, daß Sie einen von den interessanten Fällen abgeben werden, und wenn Gott will, daß Ihre Zunge zum Teil gelähmt wird, so machen wir unsterbliche Experimente (Er will mit rascher Wendung enteilen Der Hauptmann langt schnell nach dem Doktor und hält ihn fest),, 4, ( ) Halt, Doktor! Ich lasse Sie mich nicht! Sargnage! Totenfreund! In vier Wochen? Es sind schon Leute am puren Schreck Doktor! (Er hustet vor Aufregung und Anstrengung Der Doktor klopft ihm auf den Rücken, um ihm das Husten zu erleichtern) Ich sehe schon die Leute mit den Sacktüchern vor den Augen werden sagen, Er war ein guter Mensch, ein guter Mensch (Wozzeck geht rasch vorbei, salutiert) He, Wozzeck! (Wozzeck bleibt stehen) Was hetzt Er sich so an uns vorbei? (Wozzeck salutiert un will wieder gehen) Bleib Er doch, Wozzeck! (Wozzeck bleibt schleißlich stehen und kommt langsam zurück),!,! 4?! ( ) :, ( ),! ( )? ( ),! (, ) (wieder gefaßt, zu Wozzeck) Er läuft ja wie ein offnes Rasiermesser durch die Welt, man schneidt sich an Ihm; (Er betrachtet Wozzeck näher, der stumm und ernst dasteht, und wendet sich etwas beschämt zum Doktor Mit Anspielung auf dessen Vollbart) Er läuft, als hätt er die Vollbärte aller Universitäten zu rasieren, und würde gehängt, solang noch ein letztes Haar Fuge: 1 Thema Ja richtig, (pfeift) die langen Bärte - was wollt' ich doch sagen? (, ) ( ),! ( )
ALBAN BERG 18 (nachsinnend, hie und da in Gedanken pfeifend) die langen Bärte ( Fuge: 2 Thema (zitierend) Ein langer Bart unter dem Kinn hm! schon Plinius spricht davon, (Der Hauptmann kommt durch die Anspielung des Doktors darauf und schlägt sich auf die Stirn) man muß ihn den Soldaten abgewöhnen ( ) ( ) Ha! Ich hab s (sehr bedeutsam) Die langen Bärte! Was ist s, Wozzeck? (Der Doktor hört von hier an belustigt dem Hauptmann zu und summt hie und da sein Thema, indem er mit seinem Spazierstock, gleich einem Tambourstab, den Takt dazu markiert) Hat Er nicht ein Haar aus einem Bart in seiner Schüssel gefunden? Haha! Er versteht mich doch? Ein Haar von einem Menschen, vom Bart eines Sappeurs, oder eines Unteroffiziers, oder eines Tambourmajors?, ( )!,! (, )?,?,,,? He, Wozzeck? Aber Er hat eine brave Fweib?,?,? Fuge: 3 Thema Was wollen Sie damit sagen, Herr Doktor, und Sie, Herr Hauptmann?,?? Was der Kerl ein Gesicht macht! Nun! Wenn auch nicht grad in der Suppe, aber wenn Er sich eilt und um die Ecke läuft, so kann er vielleicht noch auf ein Paar Lippen eins finden Ein Harr nämlich! Ü beigens, ein Paar Lippen! Oh, ich habe auch einmal die Liebe gefühlt! Aber, Kerl, Er ist ja kreideweiß! Herr Hauptmann, ich bin ein armer Teufel! Hab's sonst nichts auf dieser Welt Herr Hauptmann, wenn Sie Spaß machen -!,!,,,, (auffahrend) Spaß? ich? Daß dich der ( )??
ALBAN BERG 19 Herr Hauptmann, die Erd is Manchem höllenheiß - Die Hölle is kalt degegen Herr,, Spaß, Kerl! Kerl, will Er einschleßen? Er sticht mich ja mit seinen Augen,! Den Puls, Wozzeck! (ergreift Wozzeck Plus) Klein hart arhythmisch, ( ) Herr Hauptmann (entreißt seine Hand dem Doktor) ( ) Ich mein' es gut mit Ihm, weil Er ein guter Mensch ist, Wozzeck, (gerührt) ein guter Mensch ( ) (vor sich hin, aber mit Steigerung) Es ist viel möglich Der Mensch es ist viel möglich (betrachtet Wozzeck prüfend) Gesichtsmuskeln starr, gespannt, gespannt, Augen stier (, ) ( ), Gott im Himmel! Man könnte Lust bekommen, sich auf zuhängen! Dann wüßte man, woran man ist! (Er stürzt, ohne zu grüßen, davon)!! ( (blickt Wozzeck betreten nach) Wie der kerl läuft und sein Schatten hinterdrein! Er ist ein Phänomen, dieser Wozzeck! ( ),,! Mir wird ganz schwindlich vor dem Menschen! Und wie verzweifeit! Das hab ich nicht gern! Ein guter Mensch ist dankbar gegen Gott; Ein guter Mensch hat auch keine Courage! (mit Beziehung auf Wozzeck) Nur ein Hundsfott hat Courage! ( )!
ALBAN BERG 20 (Er schließt sich dem Doktor an, der einen neuen Gefühlsausbruch befürchtet und sich bei diesem Wort des Hauptmanns, als besänne er sich der Eile zu Anfang der Szene, in Bewegung setzt) Nur ein Hundsfott! Hundsfott (, ) Verwandlung? Überleitende Takte und Kammerorchester-Einleitung? Dritte Szene 3 LARGO Straße vor Mariens Wohnungstür Trüber Tag (Marie steht vor ihrer Tür Wozzeck kommt auf dem Gehsteig rasch auf sie zu) ( ) Guten Tag, Franz, (sieht sie starr an und schüttelt den Kopf) Ich seh' nichts, ich seh nichts O man müßt's sehen, man müßt's greifen könne mit Fäusten! ( ),,! Was hast du, Franz?,? Bist Du s noch, Marie? Eine Sünde, so dick und so breit Das müßt stinkten, daß man die Engel zum Himmel hinausräuchern könnt'! Aber Du hast ein' roten Mund, einen roten Mund Keine Blase drauf?,? Du bist hirnwütig, Franz, ich fürcht mich Du bist schön wie die Sünde Aber kann die Totsünde so schön sein, Marie? (zeigt plötzlich auf eine Stelle vor der Tür, auffahrend) Da! Hat der da gestanden, (in Positur) so, so?,,? ( )! ( ),? Ich kann den Leuten die Gasse nicht verbieten Teufel! - Hat er da gestanden?!?
ALBAN BERG 21 Dieweil der Tag lang und die Welt alt is, können viele Menschen an einem Platz stehen, einer nach dem andern, Ich hab ihn gesehn!! Man kann viel sehn, wenn man zwei Auge hat und nicht blind is und die Sonn scheint,,, (der sich immer weniger beherrachen kann) Du bei ihm! ( )! Und wenn auch!? WOYZECK (geht auf sie los) Mensch! - ( )! Rühr mich nicht an! (Wozzeck läßt langsam die erhobene Hand sinken) Lieber ein Messer in den Leib, als deine Hand auf mich Mein Vater hat mich nit gewagt, wie ich zehn Jahre alt war, (ins Haus ab) (ieht ihr starr nach) Lieder ein Messer Der Mensch ist ein Abgrund; es schwindelt einem, wenn man hinabsieht Mich schwindelt! ( ) ( ) ( ) Verwandlung? Überleitende Takte und Orchester- Vorspiel (Ländler)? ( ) Vierte Szene 4 SCHERZO Wirtshausgarten Spät abends Scherzo I (Ländler) (Die Wirtshausmusik auf Bühne beendet soeben den Ländler des Orchester-Vorspiels Burschen, Soldaten und Mäged auf dem Tanzboden, teils tanzend, teils zusehend) (,, ) Trio I (Lied)
ALBAN BERG 22 ERSTER HANDSWERKSBURSCH Ich hab' ein Hemdlein an, das ist nicht mein; 1 ZWEITER HANDWERKSBURSCH (imitiert ihn) Das ist nicht mein 2 ( ) ERSTER HANDSWERKSBURSCH Und meine Seele stinkt nach Branndewein - (Die Burschen, Soldaten und Mägde verlassen gemächlich den Tanzboden und sammeln sich in Gruppen Eine Gruppe um die zwei betrunkenen Handwerksburschen) Meine Seele, meine unsterbliche Seele stinket nch Branndewein! Sie stinket, und ich weiß nicht, warum Warum ist die Welt so traurig? Selbst das Geld geht in Verwesung über! 1 (, ),!,? ZWEITER HANDWERKSBURSCH Vergiß mein nicht! Bruder! Freundschaft! Warum ist die Welt so schön Ich wollt', unsre Nasen wären zwei Bouteillen, und wir könnten sie uns einander in den Hals gießen Die ganz Welt ist rosenrot! Branntwein, das ist mein Leben! 2!!!?!, ERSTER HANDSWERKSBURSCH Meine Seele, meine unsterbliche Seele stinket Oh! Das ist traurig, traurig, traurig, trau 1,!,, Scherzo II (Walzer) (Burschen, Soldaten und Mägde begeben sich wieder auf den Tanzboden und beginnen zu tanzen Unter ihnen Marie und der Tambourmajor Wozzeck tritt hastig auf, sieht Marie, die mit dem Tambourmajor vorbeitanzt) (,, ) Er! Sie! Teufel!!! (im Vorbeitanzen) Immer zu, imer zu - ( ), Immer zu - immer zu! (sinkt auf eine Bank in der Nähe des Tanzbodens) Dreht euch wälzt euch! Warum bläst Gott nicht die Sonn aus? Alles wälzt sich in Unzucht übereinander, Mann und Weib, Mensch und Vieh! (sich wieder auf den Tanzboden ihn) Weib! Das Weib ist heiß, ist heiß! (fährtheftig auf), ( ),!? ( ),! ( )
ALBAN BERG 23 Wie er an ihr herumgreift! An ihrem Leib! Und sie lacht dazu!!!!, TAMBOURMAJOR (mitten unter den Tanzenden) Immer zu! - immer zu!, ( ), (gerät in immer größere Aufregung) Verdammt! (kann schließlich nicht mehr an sich halten und will auf den Tanzboden stürzen) Ich (Er unterläßt es aber, da der Tanz beendet ist Er setzt sich wieder) ( )! ( ) ( ) Trio II BURSCHEN, SOLDATEN Ein Jäger aus der Pfalz ritt einst durch einen grünen Wald Halli, hallo! Ja lustig ist die Jägerei allhier auf grüner Heid Halli, hallo!,!,!,!,,!,! (die Gitarre ergreifend, spielt sich als Dirigent des Chores auf und gibt ein Ritardando, so daß er in den Verklingenden Akkord des Chores einsetzen kann) O Tocher, liebe Tochter, Was hast Du gedenkt, Daß Du Dich an die Kutscher Und die Fuhrknecht hast gehängt?! Hallo! Hallo! (, ),,,,,!! BURSCHEN, SOLDATEN Ja lustig ist die Jägerei allhier auf grüner Heid Halli, hallo!,,,!,! (Andres gibt die Gitarre dem Spieler von der Wirtshausmusik zurück und wendet sich zu Wozzeck) ( ) Wieviel Uhr?? Elf Uhr! 11
ALBAN BERG 24 Scherzo I So? Ich meint, es müßt später sein! Die Zeit wird Einem lang bei der Kurzweil?? Was sitzest Du da vor der Tür?? Ich sitz gut da Es sind manche Leut nah an der Tür und wissen s nicht, bis man sie zur Tür hinausträgt, die Füß voran!,, Du sitzest hart Gut sitz ichm und im kühlen Grab, da lieg ich dann noch besser Bist besoffen?? Nein, leider, bring s nit z sam (Andres, gelangweit und mit den Gedanken schon mehr beim Tanz, wendet sich pfeifend von Wozzeck ab Der Tanz hat indessen geendet Die Burschen und Soldaten verlassen der Tanzboden und wenden sich zum ersten Handwerksburschen, der inzwischen aufgewacht ist; er steigt auf einen Tisch und geginnt, von der Wirtshaumusik auf der Bühne melodramatisch begleitet, zu predigen Wozzeck bleibt wieder allein auf der Bank),, ( ) Trio I (Melodram) ERSTER HANDWERKSBURSCH Jedoch, wenn ein Wandrer, der gelehnt steht an dem Strom der Zeit, oder aber sich die göttliche Weisheit vergegenwärtigt und fraget: Warum ist der Mensch? Aber wahrlich, geliebte Zuhörer, ich sage euch: Es ist gut so!denn von was hätten der Landmann, der Fasßbinder, der Schneider, der Arzt leben sollen, wenn Gott den Menschen nicht geschaffen hätte? Von was hätte der Schneider leben sollen, wenn er nicht dem Menschen nicht die Empfindung der Schamhaftigkeit eingepflanzt hätte? Von was der Soldat und der Wirt, wenn er ihn nicht mit dem rüstet hätte? Darum, Geliebteste, zweifelt nicht - denn es ist Alles lieblich und fein aber alles Irdische ist eitel; selbst das Geld geht in 1,,,,,???,,,
ALBAN BERG 25 Verwesung über, und meine Seele stinkt nach Branntewein Trio II BURSCHEN, SOLDATEN Ja lustig ist die Jägerei, Halli!,,! O Tocher, liebe Tochter! (Der Narr taucht plötzlich auf nähert sich Wozzeck, der, teilnahmslos an den Vorgängen, auf der Bank vorn gesessen hat Der Narr drängt sich an Wozzeck heran Die Instrumentalisten der Wirtshausmusik beginnen ihre Instrumente zu stimmen),! ( ) DER NARR Lustigm lustig (Wozzeck beachtet den Narren anfangs nicht) aber es riecht, ( ) Narr, was willst Du?,? DER NARR Ich riech, ich riech Blut!,! Blut? Blut! (Die Burschen, Mägde und Soldaten, unter ihnen Marie und der Tambourmajor, beginnen wieder zu tanzen)?,! (,, ) Scherzo II Mir wird rot vor den Augen Mir ist, als wälzten sie sich alle übereinander Verwandlung? Orchester-Nachspiel (Walzer)? ( ) Fünfte Szene 5 RONDO MARZIALE CON INTRODUZIONE Introduktion Wachstube in der Kaserne Nachts (Wortloser Chor der schlafenden Soldaten Andres liegt mit Wozzeck auf einer Pritsche und schläft) ( ) (stöhnt im Schlaf) ( )
ALBAN BERG 26 Oh! Oh! (auffahrend) Andres! Ich kann nit schlafen! (Bei den Worten Wozzecks werden die schlafenden Soldaten unruhig, ohne aber aufzuwachen) Wenn ich die Aug zumach', dann she ich sie immer, und ich hör' die Geigen, immerzu, immerzu Und dann spricht's aus der Wand heraus Hörst du nix, Andres? Wie das geigt und springt?!! ( )! ( ),,?? Llaß sie tanze! Und dazwischen blitzt es immer vor den Augen wie ein Messer, wie ein breites Messer! Schlaf, Narr!,! Mein Herr und Gott, (betet) und führe uns nicht in Versuchung, Amen! (Wortloser Gesang der schlafenden Soldaten)! ( ), Rondo marziale TAMBOURMAJOR (poltert, stark angeheitert, herein) Ich bin ein Mann! Ich hab ein Weibsbild, ich sag Ihm, ein Weibsbild! Zur Zucht von Tambourmajor! Ein Busen und Schenkel! Und alles fest Die Augen wie glühende Kohlen Kurzum ein Weibsbild, ich sag s Ihm (, )!!!!! He! Wer ist es denn?!? TAMBOURMAJOR Frag Er den Wozzeck da! (zieht eine Schnapsflasche aus der Tasche, trinkt daraus und hält sie dem Wozzeck hin) Da, Kerl, sauf! Ich wollt, die Welt wär Schnaps, Schnaps, der Mensch muß saufen! (trinkt wieder) Sauf, Kerl, sauf! (Wozzeck blickt weg und pfeift) Kerl, soll ich Dir die Zung aus dem Hals ziehn und sie Dir um den Leib wickeln? (Sie ringen miteinander Wozzeck unterliegt Der! ( ),!,! ( ),! ( )? (,
ALBAN BERG 27 Tambourmajor würgt den am Boden liegenden Wozzeck) Soll ich Dir noch so viel Atem lassen, wie ein Altweiberfurz? (über Wozzeck gebeugt) Soll ich (Wozzeck sinkt erschöpft um Der Tambourmajor läßt von Wozzeck ab, richtet sich auf und zieht die Schnapsflasche aus der Tasche) Jetzt soll der Kerl pfeifen! (trinkt wieder) Dunkelblau soll Kerl pfeifen! (pfeift dieselbe Melodie wie früher Wozzeck, triumphierend) Was bin ich für ein Mann! (Er wendet sich zum Fortgehen und poltert zur Tür hinaus Wozzeck hat sich indessen langsam erhoben und auf seine Pritsche gesetzt) )? ( ) ( ) ( )! (, )! ( ) EIN SOLDAT (auf Wozzeck deutend) Der hat sein Fett! (legt sich um und schläft ein) ( ) ( ) Er blut (legt sich ebenfalls um und schläft ein) Einer nach dem Andern! (Er bleibt sitzen und starrt vor sich hin Die anderen Soldaten, die sich während des Ringkamfes aufgerichtet hatten, haben sich nach dem Abgang des Tambourmajors einer nach dem andern niedergelegt und schlafen nunmehr alle wieder) ( ) (: ) ( ) DRITTER AKT 3 SECHS INVENTIONEN Erste Szene 1 INVENTION Ü BER EIN THEMA Mariens Stube Es ist Nacht Kerzenlicht (Marie sitzt am Tisch und blättert in der Bibel; das Kind in der Nähe) ( ) Thema (liest) "Und ist kein Betrug in seinem Munde erfunden" : Herr- ( )
ALBAN BERG 28 Gott, Herr-Gott! Sieh mich nicht an!,,! 1 Variation (blättert weiter und liest wieder) "Aber die Pharisäer brachten ein Weib zu ihm, so im Ehebruch lebte Jesus aber sprach : So verdamme ich dich auch nicht, geh ( ), 2 Variation hin und sündige hinfort nicht mehr!" Herr-Gott! (Sie schlägt die Hände vor Gesicht) 3 Variation! ( ) (Das Kind drängt sich an Marie) Das Bub gibt mir einen Stich in s Herz Fort! (stößt das Kind von sich) ( )! ( ) 4 Variation Das brüst' sich in der Sonne! (plötzlich milder) Nein, komm, komm her! (zieht das Kind an sich) Komm zu mir! ( ), ( )! 5 Variation Es war einmal ein armes Kind und hatt keinen Vater und keine Mutter war Alles tot und war Niemand auf der Welt, und es hat gehungert und geweint Tag und Nacht,, 6 Variation Und weil es Niemand mehr hatt auf der Welt Der Franz ist nit kommen, gestern nit, heut nit 7 Variation,, (blättert hastig in der Bibel) Wie steht es geschrieben von der Magdalena? ( )? Fuge: 1 Thema "Und kniete hin zu seinen Füßen und weinete und küßte seine Füße und netzen sie mit Tränen und salbte sie mit Salben"
ALBAN BERG 29 Fuge: 2 Thema (schlägt sich auf die Brust) Heiland! Ich möchte dir die Füße salben! Heiland! Du hast Dich ihrer erbarmt, erbarme Dich auch meiner! ( ),, Verwandlung? Orchester-Nachspiel? Zweite Szene INVENTION Ü BER EINEN TON (H) 2 Waldweg am Teich Es dunkelt (Marie kommt mit Wozzeck von rechts) ( ) Dort links geht s in die Stadt 's is noch weit Komm schneller! Du sollst dableiben, Marie Komm, setz dich!,,, Aber ich muß fort Komm (Sie setzen sich) Bist weit gegangen, Marie Sollst Dir die Füße nicht mehr wund laufen s sit still hier! Und so dunkel - Weißt noch, Marie, wie lang es jetzt ist, daß wir uns kennen? Zu Pfingsten drei Jahr ( ),,,? 3 Und was meinst, wie lang es noch dauern wird?? (springt auf) Ich muß fort ( ) Fürch st Dich, Marie? Und bist doch fromm? Und gut! Und treu! (zieht sie wieer auf den Sitz; neigt sich, wieder ernst, zu ihr) Was Du für süße Lippen hast, Marie! (küßt sie) Den Himmer gäb ich drum und die Seligkeit, wenn ich Dich noch oft so küssen dürft! Aber ich darf nicht! Was zitterst?,??, (, ),! ( )?
ALBAN BERG 30 Der Nachttau fällt Wer kalt ist, den friert nicht mehr! Dich wird beim Morgentau nicht frieren! Was sagst du da?? Nix (Der Mond geht auf) ( ) Wie der Mond rot aufgeht! Wie ein blutig Eisen (zieht ein Messer) ( ) Was zitterst? (springt auf) Was willst?? ( )? Ich nicht, Marie! Und kein Andrer auch nicht! (packt sie an und stößt ihr das Messer in den Hals) Hilfe! (Sie sinkt nieder Wozzeck beugt sich über sie; Marie stirbt) Tot! (Er richtet sich scheu auf und stürzt davon),!! ( )! ( )! ( ) Verwandlung? Orchester- Ü berleitung (H)? Dritte Szene 3 INVENTION Ü BER EINEN RHYTHMUS (H) Eine Schenke Nacht Schwaches Licht Schnellpolka (Dirnen, unter ihnen Marget, und Burscheh tanzen eine wilde Schnellpolka Wozzeck sitzt an einem der Tische) (,,, )
ALBAN BERG 31 Tanzt alle; tanzt nur zu, springt, schwitzt und stinkt, es holt euch doch einmal der Teufel! (stürzt ein Glas Wein hinunter) Lied ( ) (den Klavierspieler überschreiend) Es ritten drei Reiter wohl an den Rhein, Bei einer Frau Wirtin da kehrten sie ein, Mein Wein ist gut, mein Bier ist klar, Mein Töchterlein leigt auf der Verdammt! (springt auf) Komm, Margret! ( ),,,,! ( ),! Schnellpolka (tanza mit Margret ein paar Spünge; bleibt plötzlich stehen) Komm, setz Dich her, Margret! (führt sie an seinen Tisch und zieht sie auf seinen Schoß nieder) Margret, du bist so heiß (drückt sie an sich; läßt sie los) Wart nur, wirst auch kalt werden Kannst nicht singen? ( ),! ( ), (, )! Lied MARGRET Ins Schwabenland, das mag ich nit, und lange Kleider trag' ich nit, denn lange Kleider, spitze Schuh, die kommen keiner Dienstmagd zu Nein! Keine Schuh, man kann auch bloßfüßig in die Höll gehn! Ich möcht heut raufen, raufen,, (: ), MARGRET Aber was hast du an der Hand?? Ich? Ich??? MARGRET Rot! Blut!!! Blut? Blut? (Es stellen sich Leute um sie)?? ( )
ALBAN BERG 32 MARGRET Freilich Blut!! Ich glaub, ich hab mich geschnitten, da an der rechten Hand MARGRET Wie kommt s denn zum Ellenbogen?? Ich hab s daran abgewischt BURSCHEN Mit der recht Hand am rechten Arm? Blut! Blut! Blut! Blut! Da stinkt s nach Menscheunblut!?!!!! MARGRET Puh! Puh! Da stinkt s nach Menschenblut! Freilich nach Menschenblut!,!,! Was wollt Ihr? Was geht s Euch an? Bin ich ein Mörder? Platz! Oder es geht wer zum Teufel! DIRNEN Freilich, da stinkt s nach Menschenblut! (Wozzeck stürtz hinaus)???,!,! ( ) Verwandlung? Orchester- Nachspiel? Vierte Szene 4 INVENTION Ü BER EINEN SECHSKLANG Waldweg am Teich Mondnacht wie vorher (Wozzeck kommt schnell herangewankt; bleibt suchend stehen) ( ) Das Messer? Wo ist das Messer? Ich hab s dagelassen Näher, noch näher Mir graust s! Da regt sich was Still! Alles still und tot Mörder! M örder! Ha! Da ruft s Nein, ich selbst (wankt suchend ein paar Schritte weiter und stößt auf die Leiche) Marie! Marie! Was hast Du für eine rote Schnur um den Hals? Hast Dir das rote Halsband verdient, wie die Ohrringlein, mit Deiner Sünde! Was hängen Dir die,?!!!, ( )!! (: )??!!
ALBAN BERG 33 schwarzen Haare so wild? Mörder! Mörder! Sie werden nach mir suchen Das Messer verrät mich! (sucht fieberhaft) Da, da sit s (am Teich) So! Da hinunter! (wirft das Messer hinein) Es tausht ins dunkle Wasser wie ein Stein (Der Mond bricht blutrot hinter den Wolken hervor Wozzeck blickt auf) Aber der Mond verrät mich der Mond ist blutig Will denn die ganz Welt es ausplaudern?! Das Messer, es liegt zu weit vorn, sie finden s beim Baden oder wenn sie nach Muscheln tauchen (geht in den Teich hinein) Ich find s nicht Aber ich muß mcih waschen, Ich bin blutig Da ein Fleck und noch einer Weh! Weh! Ich wasche mich mit Blut! Das Wesser ist Blut Blut (Er ertrinkt) (Der Doktor tritt auf, der Hauptmann folgt ihm) Halt! (bleibt stehen) Hören Sie? Dort! Jesus! Das war ein Ton (bleibt ebenfalls stehen) (auf den Teich zeigend) Ja, dort! Es ist das Wasser im Teich Das Wasser ruft Es ist schon lange Niemand ertrunken Kommen Sie, Doktor! Es ist nicht gut zu hören Das stöhnt als stürbe ein Mensch Da ertrinkt Jemand! Unheimlich! Der Mond rot und die Nebel grau Hören Sie? Jetzt wieder das Ä chzen ( ),! ( ),! ( ) ( ) ( ),! (: ) ( ) ( )! ( )?!! ( ) ( ),!,,!,?
ALBAN BERG 34 Stiller jetzt ganz still Kommen Sie! Kommen Sie schnell (Er zieht den Doktor mit sich) Verwandlung? Orcherster-Epilog: Invention über eine Tonart (d-moll) Fünfte Szene INVENTION Ü BER EINEN ACHTELBEWEGUNG Straße vor Mariens Tür Heller Morgen, Sonnenschein (Kinder spielen und lärmen Mariens Knabe reitet auf einem Stekkenpferd) DIE SPIELENDEN KINDER Ringel, Ringel, Rosenkranz, Ringelreih n! Ringel, Ringel, Rosenkranz, Rin (Sie unterbrechen Gesang und Spiel, andere Kinder stürmen herein) EINS VON IHNEN Du, Käthe! Die Marie ZWEITES KIND Was is? ERSTES KIND Wießt es nit? Sie sind schon Alle naus DRITTES KIND (zu Mariens Knaben) Du! Dein Mutter ist tot! NS KNABE (immer reitend) Hopp, hopp! Hopp, hopp! Hopp, hopp! ZWEITES KIND Wo is sie denn? ERSTES KIND Drauß liegt sie, am Weg, neben dem Teich DRITTES KIND Kommt, anschaun! (Alle Kinder laufen davon)?
ALBAN BERG 35 NS KNABE (reitet) Hopp, hopp! Hopp, hopp! Hopp, hopp! (Er zögert einen Augenblick und reitet dann den anderen Kindern nach) ( )